Potsdam – Traumstadt für Reiche

Potsdam – Traumstadt für Reiche

Carsten Linke,  24.06.2018

Potsdam gehört zu den deutschen Städten mit der geringsten sozialen Durchmischung. Dazu kommt, dass die soziale Segregation, die räumliche Trennung von Arm und Reich innerhalb des Stadtgebiets, in Potsdam schneller wächst als in den meisten anderen Städten Deutschlands. Das ergab eine neue Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) die die Verhältnisse in 74 deutschen Städten untersucht hat. Mehr dazu unter https://wzb.eu/de/pressemitteilung/arm-und-reich-jung-und-alt-immer-seltener-tuer-an-tuer

Gleichzeitig kommt eine Prognos-Studie im Auftrag des ZDF zum Ergebnis, dass es sich fast nirgendwo so gut lebt wie in Potsdam. Platz vier hinter München, Starnberg, Heidelberg. Es wurden 401 Landkreise und Städte untersucht. https://deutschland-studie.zdf.de/district/09162/default

Der soziale Sprengstoff in der Stadt ist groß. Von einer „Stadt für alle“ kann nicht die Rede sein. In der Kita-Debatte, in den fehlenden Sportstädten und Stadteilzentren und in den zahlreichen Abriss- und Aufbaudebatten in der Innenstadt kommt dies (symbolhaft) immer wieder zu Ausdruck.

Wie kommt Potsdam zu diesem 4. Platz hinter drei Orten, die als elitäre Zonen bekannt oder verrufen sind?

Ganz weit hinten landet Potsdam im bundesweiten Vergleich in der Kategorie Wohnen. Bei der Mietpreis-Einkommens-Relation liegt Potsdam auf Rang 397, also dem viertletzten Platz bundesweit. Berechnet wurde hier der Anteil des monatlichen Einkommens, der im Jahr 2016 für eine 50 Quadratmeter große Wohnung hätte aufgewendet werden müssen. Auf den letzten Plätzen landen München und Frankfurt (Main). Beim Immobilienkauf sieht es ähnlich schlecht aus. Beim Verhältnis von Kaufpreis und Jahresnettoeinkommen, landet Potsdam auf Platz 361. Die zur Verfügung stehende Wohnfläche pro Einwohner ist im Verhältnis sehr gering, was zu Rang 381 führt.

Wie können derartige Platzierungen zu Platz 4 in der Gesamtwertung führen? Die Wichtung der einzelnen Kategorien scheint nicht an den existenziellen Fragestellungen entlang vorgenommen worden zu sein, sondern eher an dem schönen Schein. Platz 7, weil Potsdam so viele Wasserflächen hat. Platz 8, weil hier die Sonne oft scheint. Für die Anzahl klassischer Kulturveranstaltungen gibt es auch den 7. Platz. Alles Einzelwertungen aus dem Bereich Freizeit und Natur, bei dem die Stadt sogar auf Platz 1 landet. Für die Bereiche „Gesundheit und Sicherheit“ gibt es Platz 113 und für „Arbeit und Wohnen“ Platz 118.

Beide Studien zeigen Eins: Wer es sich leisten kann, in dieser Stadt zu leben, hat einen Platz an der Sonne. Allerdings sind dafür mehr als die legendären 5 Mark notwendig. Die Mehrzahl der Potsdamerinnen hat existenzielle Sorgen.  Und sie haben eine Stadtregierung, die dies seit Jahren ignoriert. Denn auch sie setzt auf den schönen Schein und nicht auf das Sein. Die WZB-Studie nennt als Ursachen den Realitätsverlust der gehobenen Schichten und als mögliche Folgen die zunehmende Polarisierung in der Bevölkerung sowie sinkende Chancen für Jugendliche aus den benachteiligten Kiezen.

„Miete schön“ statt Mitteschön lautet die Aufgabe! Wir brauchen eine Stadt für alle!

 

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